Tesla-Effekt: Kann der Berliner Südosten das schaffen?

Der Senat setzt auf Treptow-Köpenick – und auf Fahrräder.

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Die Zukunft des Berliner Südostens steht vor großen Herausforderungen, allerdings ebenfalls vor großen Chancen: Wie wird die Region den Zuzug zehntausender Tesla-Angestellter verkraften? Der Senat setzt auf Treptow-Köpenick – und auf Fahrräder....

Derzeit schicken sich gleich zwei Prinzen an, den Berliner Südosten aus seinem langen Dornröschen-Schlaf aufzuwecken – wenn’s sein muss auch ohne Kuss. Da wäre einerseits “Willy Brandt”, also nicht der Willy Brandt, an den Sie vielleicht denken, sondern der neue Flughafen Berlin-Brandenburg, der die Region beleben und viele neue Jobs bringen soll. Seine Errichtung hat 14 Jahre beansprucht, im Herbst 2020 wurde er endlich eröffnet. 

Der andere Prinz heißt Elon Musk, seine von ihm “Gigafactory Berlin” getaufte Fabrik, die gerade eben nicht in Berlin, sondern Grünheide entsteht, verspricht ähnlich viele Jobs zu kreieren. Das Fertigungswerk für die Elektrofahrzeuge der von Musk gegründeten Marke Tesla will sogar perspektivisch der mit Abstand größte Arbeitgeber Brandenburgs werden. 

Anders als der schon vor 25 Jahren geplante Flughafen ist Musk quasi über Nacht mit einem als Autofabrik getarnten UFO in Grünheide gelandet. Erst im November 2019 gab der Großunternehmer sein Bauvorhaben bekannt. Und auch, wenn aus seinem Ziel, die Fabrik schon im Sommer 2021 zu öffnen, vielleicht nichts mehr wird, geht es am Bau in für deutsche Verhältnisse außerirdischem Tempo voran

So sehr das beeindruckt, so sehr stellt es die Region auch vor große Herausforderungen: Musk will in Grünheide perspektivisch 40.000 Mitarbeiter beschäftigen. Das mehrheitlich hippe und ultramobile Klientel des Arbeitgebers Tesla wird dem kleinen Grünheide das urbane Berliner Umfeld vermutlich vorziehen. Das glauben auch die Experten der Firma CIMA. Im Brandenburgischen Auftrag haben deren Datenanalysten errechnet, dass rund 25.000 Menschen in die Region ziehen müssten, um Teslas Personal- und Fachkräftehunger zu tilgen.

Jahrzehntelang ausgetüftelte Ansiedlungs- und Verkehrskonzepte geraten damit komplett obsolet. Denn auch wenn fraglich ist, wie schnell Teslas erste Gigafabrik in Europa wirklich zu voller Größe heranwachsen wird: Der ohnehin durch den Flughafenneubau bereits hohe Bedarf an neuer Infrastruktur für die kommenden Jahre wird sich wohl noch einmal verdoppeln. 

Mit seinem “Landesplanerischen Konzept zur Entwicklung des Umfeldes der Tesla-Gigafactory” hat das Land Brandenburg auf die neue Herausforderung reagiert. Das Konzept dient als Blaupause für städteplanerische Maßnahmen, mit denen die durch die Tesla-Ansiedlung ausgelösten Wachstumseffekte gelenkt werden sollen. Dabei geht es auch um Schulen und Kitas, um Verkehrswege und Gewerbeflächen. 

Den größten Zuzug habe hiernach der Berliner Bezirk Treptow-Köpenick zu erwarten. Das Bezirksamt freut sich, bereits 17.000 Wohnungen seien ohnehin schon im Bau. Weitere 10.000 könnten in den nächsten zehn Jahren folgen. Und genug Raumpotenzial wäre den CIMA-Experten zufolge vorhanden: Die Firma identifiziert im Bezirk 203 geeignete Einzelflächen mit einer Gesamtfläche über 276 Hektar.

40.800 neue Wohneinheiten könnten wohl insgesamt für Teslas Mitarbeiter entstehen, davon die Hälfte in Treptow-Köpenick.

147 davon seien kurzfristig umsetzbar. Benötigte Kitas, Schulen und Märkte würden dabei ohnehin mitgeplant. 40.800 neue Wohneinheiten könnten wohl insgesamt für Teslas Mitarbeiter entstehen, davon die Hälfte in Treptow-Köpenick.

Ob sich auch die weniger hochqualifizierten Arbeitnehmer von Tesla die neuen Wohnungen am Ende leisten können, ist allerdings fraglich. Schließlich steigen die Berliner Mietpreise für Neubauten seit Jahren rasant. Berliner Wohnraum ist teuer und stark umkämpft. Auf eine Lösung für die Probleme, die das bereitet, muss man trotz aller Neubaumaßnahmen nicht nur bei Tesla noch warten. 

Und noch ein anderes großes Problem steht im Raum: der Verkehr. Der ist zwischen Grünheide und Berlin Süd-Ost bereits jetzt überlastet. Auf den zweispurigen Landstraßen zwischen der Gemeinde und Berlin bilden sich werktäglich häufig Staus. Weil Grünheide in einer Erholungsregion mitten im Naturschutzgebiet umgeben von Seen, Flüssen und Wäldern liegt, kommt ein Ausbau dieser Straßen nicht in Frage. Die A113, schreibt dazu der Berliner Tagesspiegel, könnte in den ersten Jahren noch einiges auffangen. Schließlich sind Teslas Beschäftigte in der Gegenrichtung des morgendlichen Berufsverkehrs unterwegs. Wenn Schönefeld weiter boomt, dürfte jedoch auch das schwierig werden.

Alle Hoffnungen von Senat und Bezirk liegen derzeit darum auf der Regionalbahnlinie RE1. Auch die CIMA-Experten schlagen keinen weiteren Straßenbau vor. Allerdings gibt es Lücken im Netz: Im Vorort Erkner fehlt ein wichtiger Halt, und der Regionalbahnhof Köpenick soll erst 2026 eröffnen. Helfen soll hier ein Radweg, der sich von Erkner ab 5 bis 6 Kilometer weit durch den Wald und bis hin zur “Gigafactory” ziehen wird. Doch kann das reichen, um die Angestellten des Autoherstellers zum Umstieg aufs Rad zu bewegen?

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